Eine OER-Strategie braucht das Land #100DaysToOffload

In diesem Beitrag möchte ich eine aktuelle Situation – Anfrage des BMBF zur Beteiligung bei der Finalisierung der OER-Strategie – zum Anlass für ein paar grundsätzlichere Überlegungen nehmen.

Hintergrund und Anlass

Im März 2018 wurde der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD beschlossen. Dort finden sich einige Bezüge zu Openness, etwa:

  • Open Data
  • Open Access
  • „Open University Network“ – dabei soll es um den Beitrag von Fernhochschulen für Vernetzung von Hochschulen im Zusammenhang mit der Digitalisierung gehen
  • Open Innovation
  • Open Government
  • und eine „umfassende Open Educational Resources-Strategie“ (S. 39)

Die vielfache Nennung von Openness in Form verschiedener Konzepte soll zeigen, dass die Bundesregierung das Thema beobachtet und sich aktiv an der weiteren Entwicklung beteiligen will. Tatsächlich gab es – im Bereich OER – auch schon einige konzeptionelle Vorarbeiten, die bei der Erstellung der OER-Strategie helfen könnten:

Das ist ausschnittsweise die Entwicklung von OER in Deutschland (mit Schwerpunkt auf Hochschulen) und der Hintergrund, vor dem der Prozess der OER-Strategie zu bewerten ist. Konkret bedeutet das etwa zu fragen, inwieweit auf das bisher Erreichte zurückgeblickt wird.

Für mich wirkt darum die Anfrage, die aus Thesen zu den getrennten Schwerpunkten Technik, Gesellschaft und Mensch besteht, zu denen man „Ergänzungen / Gegenthesen / Kommentare“ schicken soll, etwas losgelöst von konkreten OER- bzw. Digitalisierungs-Diskursen. Die Rahmung ist so allgemein, dass gefühlt alles und damit auch OER darunter subsumiert werden kann. Selbstverständlich hat OER Relevanz für Technik (siehe oben z.B. Machbarkeitsstudie für eine OER-freundliche IT-Infrastruktur), Mensch und Gesellschaft. Die Besonderheit von OER liegt jedoch in der Art, wie diese Bereiche miteinander verbunden und ins Gespräch gebracht werden. Das hat auch Oliver Tacke in seinem Kommentar deutlich gemacht und spricht von einem „sozio-technischen System“. Durch diese verflechtende Perspektive ist es möglich, die Spannungsfelder im Zusammenhang mit OER (z.B. Qualitätssicherung, Finanzierung, Kompetenzentwicklung) analytischer zu betrachten.

Das OpenEdu Framework von 2016 nimmt eine solche Perspektive ein und differenziert zehn Dimensionen von Open Education, die für politisch-strategische Entscheidungen herangezogen werden können.

OER-Strategie

Damit komme ich zum eigentlich Gegenstand, der „umfassenden OER-Strategie“. Auch hierfür gibt es mittlerweile einen guten Wissensstand, der Orientierung bietet für die anstehenden Aufgaben.

Ein wichtiges Dokument ist der Report „Policy Approaches to Open Education“ des Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission von 2017, der einen erstmaligen State-of-the-Art-Überblick auf europäischer Ebene gibt. Begleitend dazu wurde vom JRC noch der Bericht „Going Open„, ebenfalls 2017 veröffentlicht und stellt den Abschluss der OpenEdu Policies Forschung dar.

OER wird hierbei als Teil der breiteren Open-Education-Bewegung betrachtet und verbunden mit Zielen wie soziale Inklusion und Chancengerechtigkeit. Wichtig ist die Hervorhebung, dass Open Education kein Selbstzweck erfüllt, sondern wesentlich dazu beitragen kann, Bildungssysteme den Bedingungen der Digitalität anzugleichen (Modernisierung) und diese für die Zukunft auszurichten und neu zu gestalten (Innovation). Genau diesen breiten Bezug und die Einbettung in den Digitalisierungsdiskurs gilt es in Deutschland weiter zu fördern und konsequent auszugestalten.

Das bedeutet auch, die Diskussion zur Öffnung von Bildung nicht zu sehr auf OER zu verengen, sondern die bestehende Bandbreite von Open-Education-Ansätzen in der Hochschul- und Weiterbildung einzubeziehen:

  • offene Ansätze in der Lehre mittels digitaler Technologien (offene Kurse, MOOCs): Lernen findet nicht nur in geschlossenen Kursen, sondern auch im Internet auf vielen Plattformen statt. Die erreichten Kompetenzen sind entsprechend anzurechnen.
  • Open-Source-Software und offene Standards in der IT unterstützen
  • öffentlich geförderte Forschung als Open Access veröffentlichen
  • Einsatz digitaler Zertifikate (Digital Credentials) und personalisierter Lern-Porftfolios
  • Förderung von alternativen Karrierewege für Forschende und Lehrende, die sich für OE einsetzen

Beim Thema Policy / Strategie unterscheidet das JRC dann auch die folgenden vier Typen:

1) OER / OE / OEP Policies
2) ICT-Policies mit OER-Komponenten
3) Umfassende strategische Bildungspolitik mit einer offenen Bildungskomponente mit OER-Bezug
4) Nationale „Open Government Plans“ mit einigen Open-Education-Komponenten

Es finden sich in den Berichten viele Fallstudien, die diese Policies illustrieren und näher erläutern. Zum schnellen Einstieg können die Beispiele aus Slovenien, Irland oder aus Österreich (TU Graz) herangezogen werden.

Das Thema ist also komplex, es gibt viele verschiedene Ausprägungen der Strategien und schon gar nicht den „Masterplan“ Open Education / OER. Wichtig ist vielmehr, die Strategien und Policies gemeinsam in einem Multi-Stakeholder-Ansatz zu entwickeln (hier für steht der aktuelle Dialog-Prozess des BMBF). Mit dem Bild eines Ökosystems für Open Education macht das JRC deutlich, dass bei der Strategie nicht nur auf den jeweiligen Bildungsbereich geschaut werden sollte, sondern auch auf die anderen Openness-Ansätze (Access, Data, Government, etc) sowie die digitale Transformation insgesamt.

Genau das wünsche ich mir auch bei den weiteren Schritten der OER-Strategie-Begleitung sowie insbesondere nach deren Implementierung. Openness bietet so viel für die Gesellschaft, es gibt so viele engagierte Gruppen und Einzelpersonen, dass es eines gut abgestimmten strategischen Prozesses bedarf, die alle miteinander besser ins Gespräch zu bekommen.

Weitere Informationen zur OER-Strategie

Schriftliche Eingaben zur OER-Strategie von:

Besprechung im Podcast Feierabendbier Open Education mit Christian Friedrich.

2 Kommentare

  1. […] Wenn ich es richtig lese, dann holt das BMBF gerade Stellungnahmen von ausgewählten ExpertInnen ein, um noch in dieser Legislaturperiode eine OER-Strategie vorzulegen. Einige der Angesprochenen haben ihre Rückmeldungen gleich veröffentlicht. So wie Markus Deimann, der an die zurückliegenden OER-Diskurse erinnert und mahnt, das Thema nicht auf OER zu verengen, „sondern die bestehende Bandbreite von Open-Education-Ansätzen in der Hochschul- und Weiterbildung einzubeziehen“. Viele Links und Ressourcen. Markus Deimann, markusmind, 21. Februar 2021 […]

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